Die Vesper komponierte Anton Heiller 1977 zur Einweihung der Domorgel in Graz. Naturgemäß gibt der Komponist Gelegenheit, möglichst viele Farben des neues Instrumentes zu zeigen, vor allem in Zwischenspiel (zwischen Responsorium und Magnificat) und Nachspiel, die er auch für Aufführungen als selbständige Stücke vorgesehen hat. Das Zwischenspiel ist fast zur Gänze lyrisch und ruhig gehalten; man hört die für Heiller so typische Harmonik, die hier trotz der Nähe zur Zwölftönigkeit mild und eingängig ist.

Heillers Melodik hat die Greorianik zum Urahn, wenn auch hier Modi aus Halbtönen und kleinen Terzen im Vordergrund stehen, wie man sie auch bei Olivier Messiaen und Jehan Alain finden kann. Rhythmisch herrscht große Ruhe, nur gegen Ende findet man unregelmäßige Metren. Das Stück schließt harmonisch offen; im Franz-Schmidt-Orgelwettbewerb soll es daher zwischen den beiden anderen Stücken gespielt werden.

Anmerkung: Die für die Takte 34 und 35 verlangte Zunge 4’ im Pedal kann in Kitzbühel durch eine Labialstimme ersetzt werden; weitere Möglichkeiten ergeben sich, wenn man die Noten der linken Hand mit Doppelpedal spielt.

Peter Planyavsky

Beginn von Anton Heillers Zwischenspiel aus der Vesper
Autograph in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek