Robert Fuchs


ROBERT FUCHS (1847  –  1927)

„Wann werden wir endlich etwas neues machen und aufhören, bloß am Grab von Brahms zu stehen und zu weinen?“ schrieb Hellmesberger einmal um 1900, und er richtete die Aufforderung gleichsam an sich selbst – an den Brahms-Epigonen-Kreis. 

Zu ihm gehörten – soweit für Organisten in-teressant – Rudolf Bibl (der bravste), Heinrich von Herzogenberg (der trockenste) und Robert Fuchs (der musikalischste). Von Brahms immer wieder mit
lobenden Worten bedacht und vor allem durch seine Streicherserenaden zu Bekanntheit gelangt, war Fuchs auch als Kompositionslehrer erfolgreich und hat eine ganze Generation österreichischer Musiker mitgeprägt: Zemlinsky, Hugo Wolf, Mahler, Schreker, – sogar Sibelius zählte ein Jahr lang zu seinen Schülern – und den letzten österreichischen Sinfoniker Franz Schmidt, der eigentlich bei Bruckner studieren wollte, aber sich wegen dessen angegriffenen Gesundheitszustandes dann doch bei Fuchs einschreiben ließ.

Die Orgel als Ausdrucksmittel war Fuchs von Jugend an vertraut gewesen. In Wien hatte er sich mit dem Organistendienst in der Piaristenkirche eine Zeit lang etwas dazuverdient, und als im Jahr 1873 bei der Weltausstellung verschiedene Orgelbauer ihre Werke ausstellten, „rannte er mit Leidenschaft von Orgel zu Orgel, sie auf Ton und Klangfarbe auszuprobieren“. Später wurde er auch noch zum k.u.k. Hoforganisten berufen. Dennoch wagte er sich erst 1909 als gereifter Komponist mit einigen Werken an das Instrument. „Zum Hausgebrauch“ (Mayr) hat Fuchs fast alle Orgelwerke auch für Klavier zu 4 Händen bearbeitet.

Robert Fuchs


Die 3 Phantasien, deren letzte hier erstmals im Druck vorgelegt wird, sind sämtlich mehrteilige Gebilde, in denen gar nicht so unterschiedliche Abschnitte in freier Abfolge angeordnet sind. In den Phantasien C-Dur (1909) und Des-Dur vertraut Fuchs für Bündelung und Abschluss auf die ordnende Kraft einer Fuge. Ansonsten ist der Serenadenton vorherrschend oder jedenfalls nicht absent; oft spürt man Idiomatik und Phrasierung der Streicher durch. Die Idyllen werden nur kurz durch aufbäumende Rubatoblöcke durchbrochen, in denen auch die Dynamik schnell wechseln soll. Fuchs muss die neuartigen Möglichkeiten des Schwellers gut gekannt haben oder hat sie sogar ein wenig überschätzt; seine Orgelstücke sind etwas reichlich mit kleinräumigen Crescendo- und Decrescendo-Gabeln bezeichnet. 

In seinen Fugen macht Fuchs übrigens auch reichlich von Umkehrungen Gebrauch, was am Schluss der Des-Dur-Phantasie in eine ebenso komplexe wie großartige Simultanführung beider Gestalten mündet; in seiner Lust an der Themenumkehrung ist Fuchs ein deutlicher Nachkomme von Brahms (man denke an die as-Moll-Fuge oder an „O Traurigkeit“). Die Phantasie Des-Dur trägt im Autograph eindeutig das Datum „23. Juni 1917“ und ist somit ein sehr spätes Werk. Mit einer gewissen Rührung sollte man sich den Siebzigjährigen vorstellen, wie er da unbeirrt und gekonnt weiterhin die Musik von 1875 schreibt. 15 Jahre sind seit „Pelléas und Mélisande“ von Debussy vergangen, 12 seit Richard Strauss‘ „Salome“ und auch schon 8 seit den „Drei Klavierstücken“ op. 11 von Arnold Schönberg. Unbemerkt bricht draußen das letzte Jahr der Monarchie an. Der Ausgabe liegt eine Photokopie zugrunde, die mich auf nicht mehr genau klärbaren Umständen erreicht hat; weder in der Musik-sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek noch im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde konnte ein entsprechendes Original ausfindig gemacht werden.

Peter Planyavsky

Erste Seite des Autographs von Robert Fuchs’  Fantasie Des-Dur
(Österreichische Nationalbibliothek – Musiksammlung)